Startpunkt des Vortragsprogramms eines jeden Frühjahrsfachgesprächs ist natürlich die Keynote – in diesem Jahr hervorragend bestritten von Johannes Loxen. Vielen GUUGlern persönlich bekannt, steht Johannes für klare und sicher auch streitbare Thesen, die es schaffen, die eigene, manchmal eingefahrene Meinung zu überdenken.
Meinung wozu? Open Source ist Johannes‘ Thema: Seit mehr als 20 Jahren schon in der IT-Szene unterwegs, engagiert er sich der SerNet-Mitgründer vor allem für Open-Source-Technologien im Unternehmensumfeld und zählt zu einem der langjährigen Unterstützer von Samba. Mit der SerNet entwickelt er außerdem verinice – eine Software, die Unternehmen beim Aufbau von Sicherheitsmanagement unterstützt.
Verinice wurde von Loxen und seinen Kollegen bewusst von Anfang an unter der GPL veröffentlicht: „Ich bin der Überzeugung, dass man mit Open-Source-Software besser fährt“, erklärte Loxen dem erwartungsgemäß zustimmenden FFG-Publikum. Das hinter der Entscheidung für Open Source nicht nur sachliche Argumente, sondern auch Mentalitätsunterschiede stecken, erkenne man so: „Windowsuser hören schneller auf zu denken, wenn Fehler auftauchen und rufen den Herstellersupport an. Im Open-Source-Umfeld fängt man dagegen an zu denken, wenn etwas nicht läuft. ITler, die Open-Source-Technologien einsetzen, gehen einfach erwachsener mit Problemen um.“
Open-Source-Entwickler sollten aber darauf achten, nicht bloß als Steigbügelhalter missbraucht zu werden – und damit kam Loxen auf den Kern seines Vortrages: Wo steht Open Source heute? Im Hinblick auf Cloud Computing und Mobile Devices – den zwei am stärksten wachsenden Segmenten der Branche – kann man beobachten, dass Open-Source-Technologien zwar die Grundlage vieler erfolgreicher Produkte bilden, aber in ihrem Zusammenspiel wiederum nicht quelloffen sind: „Wir stellen tolle Software her, die dann aber in geschlossenen Systemen läuft. Und mehr noch: Für den Anwender ist es schlichtweg nicht relevant, ob und welche App auf seinem iPhone oder Android-Phone unter der GPL veröffentlicht ist.“ Und wenn Apple dann auch noch vorgibt, wie die Open-Source-basierte App im iTunes Store verkauft werden soll, „kann ichs auch gleich lassen“, stellte Johannes fest.
Nach der „Gefängniszelle Smartphone“ kam er dann auf Clouds zu sprechen: „Immer mehr Software, die wir mal geschrieben haben, verschwindet hinter der Firewall. Die Community erhält wenig zurück.“ Gleichzeitig verliere man gute Köpfe, z.B. an Google: „Unsere besten Projekte werden verlangsamt, unsere besten Leute abgezogen.“
Ein Grund, davor zu warnen, eigene Ideale zu verlieren und bloßer Auftragsarbeiter zu werden: „Entwickler gehen natürlich gern dahin, wo es am wärmsten ist. Aber irgendwann ist man nicht mehr Herr der eigenen Gedanken.“ Wenn freie Software zudem komplett unsichtbar wird, konterkariere das komplett die Grundidee von Open Source. Dass der Szene die Entwickler fehlen, könne man bei vielen ins Stocken geratenen Projekten sehen.
Schwieriger wird es zudem, wenn die Software immer komplexer wird: „Bei Samba braucht ein ambitionierter Entwickler gut zwei Jahre, bis er substanziell am Code mitarbeiten kann. Aktuell stemmen zehn Leute gut 95 Prozent der Programmierung. Das ist zwar noch Open Source – aber faktisch unveränderlich! Die Argumente, dass man Open-Source-Software an eigene Bedürfnisse selber anpassen kann, sind hier Quark!“
Nach einigen Anekdoten und Sidesteps – insbesondere auf Linus Torvalds‘ aktuelle Aussagen zu SUSE Linux – kam Johannes auf die Gretchenfrage für Open-Source-Anhänger zurück: Bleibe ich selbstbestimmter, freier Entwickler oder entscheide ich mich dafür, vollständig nach Kundenwünschen zu programmieren? „Das ist ein klassischer Zielkonflikt: Es gibt diejenigen, die sich drei Jahre zurückziehen wollen, um dann ein innovatives, perfektes Release vorzulegen. Und es gibt diejenigen, die im Hinblick auf ihre bestehenden Kunden einfach immer funktionierende Software haben möchten.“ – Beides gehe schlichtweg nicht, der „Mittelweg ist instabil“. Jeder Entwickler müsse genau prüfen, was für ihn im Vordergrund steht und dürfe sich nicht zwischen beiden Lagern zerreißen.
Vereinen sollte alle jedoch das Streben nach Interoperabilität: Die entwickelte Software muss sich problemlos in bestehende Systeme eingliedern können. In der Kommunikation mit Kunden – wie beispielsweise Ämtern, die darüber nachdenken, ihre Systeme auf Open Source umzustellen – sollte man daher auch nicht länger nur mit dem Vorteil der Quelloffenheit an sich argumentieren. „Viel entscheidender ist doch, dass offene Standards dabei helfen, einzelne Programme und Prozesse viel besser in bestehende Systeme integrieren.“
Im Publikum wurde seine Keynote sehr positiv aufgenommen. Gerade der Aufruf, sich der eigenen Ideale zu versichern und die Vorteile von Open Source nicht nur gegenüber der Kunden zu vertreten, sondern diese auch davon zu überzeugen, eigene Lösungen ebenfalls unter freien Lizenzen zu veröffentlichen, entspricht der Haltung vieler auf dem Frühjahrsfachgespräch. In diesem Sinne konnte Johannes die Besucher sicherlich neu einschwören – zumal er als gerade auch im unternehmerischen Umfeld mit SerNet erfolgreich arbeitet und seine Ansichten authentisch vertreten kann.
Nach der Keynote (und einer diskussionsintensiven Kaffeepause) starteten beide Vortragstracks des FFG – Eindrücke & Inhalte in Kürze hier im Blog.
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Text: Corina Pahrmann/GUUG